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Schnüffelnase auf heißer Spur

Mantrailing ist ein Hundesport, der für jeden Hund jeder Altersklasse geeignet ist. Schnüffelnd das Revier zu erkunden, ist für den Vierbeiner das normalste auf der Welt. So wie wir mit den Augen unsere Umgebung wahrnehmen, so erstellt der Hund für sich ein dreidimensionales Geruchsbild der Landschaft, in der er sich bewegt.

Die Nase ist der absolut wichtigste Sinn für den Vierbeiner. Wer hat es als Besitzer noch nicht erlebt, das ein Leckerli dem Hund zwischen die Pfoten fällt und dieser es nicht sieht? Das liegt daran, das der Geruch womöglich ein Stück von der Stelle weggeweht worden ist Doch fangen wir von vorne an.

Faszination Mantrailing

Nicole und Sybill vom Finderwille führten das Drei-Tage-Seminar in Hemer, dem Hauptstützupunkt das DVG (Deutscher Verband Gebrauchshunde) durch. Statt uns in Theorie zu verlieren, stand die praktische Erfahrung an erster Stelle. Im Gegensatz zum Rettungshund der in der Fläche Menschen sucht, sucht der Mantrailer eine bestimmten Menschen anhand seines Geruchs. Dabei folgt er der Spur von Alt nach Frisch. Logisch das Ziel ist es ja die Beute zu fangen, nicht zu wissen woher sie kommt. Das coole an unseren Hunden ist, dass sie sich trainieren lassen, wenn wir auf sie eingehen und so gibt es Hunde die einer Spur von Frisch nach Alt folgen, jedoch können sie dann nicht zwischen den zwei Modi operandi wechseln.

Obwohl uns das allen klar war, kam es gleich mehrfach zu einem Fehler, weil wir Menschen viel zu oft mit dem Kopf denken, statt unsere Hunde zu beobachten und deren Verhalten korrekt zu interpretieren. Wie problematisch das Thema Geruch ist, wurde uns allen schnell deutlich, als wir zusammen mit unseren Trainerinnen Spuren legte. Sie nahmen eine Seifenblasenpistole zur Hilfe, um zu sehen, wo denn der Geruch der Person, die wir versteckten liegen bleibt, um natürlich am Ende dem Suchteam, ein wenig zu helfen. Tja, wer sagt dem Wind denn bitte mal, dass er nur von rechts Richtung Häuserwand wehen soll?

Wer sucht konzentriert sich komplett auf seinen vierbeinigen Partner. Bist du dir sicher, dass meine Rina sucht? Markieren, Wälzen und Schnüffeln. Was ist privat und was ist suchen?

Wie arbeitet Rina?

Unsere rumänische Vampirhündin wuchs das erste halbe Jahr als Straßenhund auf. Sie ist ein supervorsichtige Hündin, die Menschen exakt beobachtet. Ihre Nase ist nicht nur ständig auf dem Boden, nein sie nimmt jeden Stress-, Angst- oder Aggressionsgeruch sofort auf. Das war für sie Überlebenswichtig. Etwas zum Fressen wird sofort gesichert. Sie packt alles ins Maul, sucht sich einen sicheren Platz, spuckt das Fressen aus, um es dann in Ruhe zu essen. Es hat mich viel Arbeit gekostet, sie überhaupt dazu zu bekommen, die Nase mal vom Boden zu erheben.

Du erinnerst dich Geruch von alt nach neu. Bevor die Person, die Rina suchen sollte, sich versteckte, bekam ich einen Schlüssel von ihr (alter Geruch). Mit dem Schlüssel in der Hand zog ich ihr das Suchgeschirr an. Kaum starteten wir, war ihre Nase auf dem Boden. Moment ich hatte ihr doch noch gar nicht den Schlüssel gezeigt und „Such“ gesagt. „Brauchst du auch nicht, wenn du ihr die ganze Zeit mit dem Geruch vor der Nase herum wedelst.“ – Tatsächlich fand Rina die gesuchte Person recht mühelos. Die Party die ich feierte, fand sie cool.

Die nächste Suche ging vor uns quer über einen Platz in der Stadt mit zig Läden und einem Supermarkt. Die Seifenblasen verteilten sich überall. Der Durchzug in den Gängen, wirbelte alles durcheinander. Es wurden Kompromisse gesucht. Diesmal bekam ich ein Haargummi und ich behielt den Geruch für mich. Der Weg vom Parkplatz hinter dem Supermarkt über den gesamten Platz von dem Sternförmig die Einkaufsstraßen abzweigten war für uns Anfänger zu kompliziert. Also sollten wir an einer gezeigten Stelle anfangen. Rina sah das anders. Ihre Nase ging auf den Boden kaum, dass wir losliefen. Ehrlich gesagt, dachte ich sie würde privat schnüffeln. Wir sind selten in der Stadt. Dass mich die Trainierin anfing aufzunehmen, bekam ich gar nicht mit. Zielsicher lief Rina mit mir im Schlepptau die Strecke ab. Dann kamen wir an einen Punkt, wo es in eine Einfahrt mit einer Kurve zu einer Tiefgarage ging und gerade war der Weg zu den Eingangstüren zu Reihenhäuser. Schnurstracks ging sie zu den Büschen den Zaun entlang. „Geh mit ihr zur Hauswand.“ – Ich zurück, meine Hund wieder zum Zaun. Das Spiel wiederholten wir drei Mal, doch Rina blieb stur. Inzwischen sah ich die versteckte Person und ignorierte sie. Dann ein Wind, die Nase geht in die Luft und…genau Party.

Was war passiert? Die Spur ließ sich zum Zeitpunkt, als die Person versteckt wurde perfekt an der Hauswand nieder. Dort wo die Person sich versteckt, war der Bereich offen und als wir später nochmal „Bubbelten“ (Seifenblasen) – kam das Aha-Erlebnis. Der Wind der ums Eck blies, verteilte frischeren Geruch an den Zaun. Du erinnerst dich von alt zu neu. 

Wer ist der Schlauste im Team?

Es war super spannend die Videoaufnahmen zu sehen. Nicht nur von einem selbst, sondern auch von den anderen Teams. Unsere Vierbeiner wollen uns gefallen, deshalb reicht manchmal ein einziger Schritt aus, das der Hund aufgibt und seinem Frauchen und Herrchen folgt. Spiel zu Ende. Andere sind hartnäckiger. Sie ziehen nochmal in die Richtung oder gehen erst in die andere, bevor sie ein weiteres Mal versuchen ihren menschlichen Partner zu überzeugen.

Ganz toll auch zu sehen, wie ein Hund zu seinem Herrchen oder Frauchen zurückkommt sich hinsetzt und ihn fragend anschaut. Ja, wenn das nicht funktioniert es sogar über die Begleitpersonen versucht. Ihr zeigt sich auch die Zusammenarbeit von Mensch und Tier.

Meine Aufgabe als Mensch ist es, wenn mein Hund die Spur verliert zu überlegen, wie es weitergehen könnte und genau zu beobachten, wann mein Hund die Spur wieder findet. Das sind oft minimale Signale. Sich völlig auf diese Arbeit einzulassen ist ein richtiggehendes meditatives Erlebnis. Du beobachtest dein Hund, lässt dich von ihm durch Menschenmengen führen und bist völlig im hier und jetzt.

Ein Wunder oder doch keines?

In dem Seminar durfte ich unheimlich viel über mich selbst lernen. Ein Hundenase lässt sich nicht täuschen, sie riecht alles. Genau deshalb können sich unsere Hunde bei einem Spaziergang gefühlt minutenlang mit einer Stelle beschäftigen. Bestimmt hast du von den Geschichten gehört, wo sich ein Hund im Altersheim vor eine Tür legt und am nächsten Tag ist der Patient verstorben.

In einer wissenschaftlichen Zeitschrift las ich mal darüber, dass Hunde sogar Krebs eher riechen können als es nachweisbar ist oder auch Viren in der Luft. Das hört sich im ersten Moment genial an. Das Problem liegt aber auf der Hand. Wir müssen verstehen, was der Hund uns mitteilt und da scheitern wir.

In einer anderen Zeitschrift las ich, das ein Hund eine Spur verfolgen kann, selbst wenn der Täter mit dem Auto davonfährt. Wenn bei uns auf dem Feld ein Auto an uns vorbeifährt in dem ein Hund ist, regt sich Rina ebenfalls auf, während ihr andere Fahrzeuge egal sind. Doch wer sich mit dem Thema Thermik auseinandersetzt und sich mit Hilfe von Seifenblasen bewusst macht, wie sich Geruch verteilt, weiß dass solchen Spuren Grenzen gesetzt sind.

Rina hat uns alle auch bei der letzten Suchen in Erstaunen versetzt. Wir verstanden, weshalb sie in der Lage war, den Tag zuvor auch die Spur über den Platz zu verfolgen. Sie wechselt zwischen Geruch und Fährte ohne das ihr jemand das erklärt hätte. Der Unterschied?

Stell dir vor du gehst mit deinen Schuhen über ein Feld. Du hinterlässt nicht nur Spuren, weil du mit deinem Gewicht die Bodennarbe verletzt oder Grashalme umknickst, du hinterlässt auch ein Geruchsspur von zerstörten Mikroorganismen. Jagdhund werden auf Fährte trainiert.

Wenn ein Hund ein Geruch verfolgt, dann folgt er den Hautpartikel (Zellen) von denen der Mensch ca. 40.000 pro Minute verliert. Diese Verteilen sich über die Luft. Spätestens seit der Pandemie 2020 kennen wir uns mit dem Thema Aerosole aus. Ein Hund der auf Fährte trainiert ist und das ist ein spezielles Training, das Stück für Stück aufgebaut wird, versteht nicht, wenn er auf einmal einem Geruch folgen soll. Die Belohnung wartet ja am Ende der Fährte, nicht am Ende des Geruchs.

Wie Rina es jedoch beim Seminar zeigte benutzen Hunde von sich aus alle Varianten, nur gebe ich ihr keinen antrainierten Befehl für den Wechsel zwischen Fährte und Geruch. Was ist das doch für eine schlaue Hündin, die wir in unsere Familie aufgenommen haben.

Am Ende des Seminars musste ich höllisch auf meinen kleinen rumänischen Vampirhund aufpassen, damit sie nicht im falschen Kofferraum landete.