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Ehrenmal der Bundeswehr in Berlin

Es ist seltsam. Ich finde es schon ungewohnt, wenn ich unsere Polizei bewaffnet mit Maschinenpistolen herumlaufen sehe. Doch einen Soldaten anzusprechen, egal, wie nett er ist, kostete mich echte Überwindung. Ein Thema worum es in meinem neuen Politthriller: Die Bundespräsidentin geht, ist der Einsatz der Bundeswehr in den Konfliktherden unserer Welt. Als ich in Berlin am Sony-Center über das Schild „Ehrenmal der Bundeswehr“ – stolperte, dachte ich, okay, da musst du mal hin. Durch meine Recherche, wusste ich zwar, dass es ein Ehrenmal für die in Ausübung ihres Dienstes ums Leben gekommenen Angehörigen der Bundeswehr gibt, mehr jedoch nicht.

Als ich in die Straße mit allen den Videokameras bog, wo sich Botschaften und auch das Bundesinnenministerium befindet, fühlte ich mich schon ein wenig seltsam. Die Polizei am Anfang der Straße, auch kein entspanntes Gefühl. Schließlich nach der Umrundung einer Baustelle, kam ich zum Ehrenmal. Doch es war nur ein eisener Zaun zu sehen und das Metallbuch mit den Jahren und den Namen der Gefallenen. Das war für mich der erste Schock, als ich die Jahre 2001 und 2003 betrachtete mit ihrer langen Liste. 2001 sechsundsechzig und 2003 zweiundsiebzig Menschen. Insgesamt las ich dann in Wikipedia, dass in dem Mahnmal 3.100 Namen angezeigt werden. Unfassbar für mich, weil mir das niemals bewusst war, was es bedeutet, wenn wir die Bundeswehr in die Krisenregionen schicken. Es bedeutet, dass deutsche Soldaten und Soldatinnen in der Ausübung ihres Dienstes in anderen Ländern sterben. Ich weiß das klingt naiv. Natürlich ist es mir bewusst. Doch die Menschen dahinter, die Familien, die Freunde, die Partner womöglich auch Kinder, die dahinter stehen, dass war mir nicht bewusst.

Bronzegedenktseite im Buch der gefallenen Soldaten 2001

Beim Ehremal gab es ein Schild. Beim Feldjägereingang klingeln um das Ehrenmal zu sehen. Hätten mich die Namen nicht so tief betroffen gemacht, ich wäre zu feige gewesen. 2001 Johann und Rainer Schulz, waren es Brüder? Womöglich Zwillinge? Wie ging es mir als Mutter, wenn ich nicht nur einen Sohn, sondern im gleichen Jahr gleich zwei Söhne verlieren würde? Still und heimlich für das öffentliche Bewusstsein. Darf ich überhaupt darüber reden? Denn wenn ich unserer Gesellschaft zuhöre, dann ist es nicht so, dass wir stolz auf den militärischen Einsatz sind. Oft wird Kritik laut und diejenigen die sich entscheiden zur Bundeswehr zu gehen, werden schräg angeschaut. Oder liegt es daran, dass ich mit anderen Menschen Kontakt habe?

Ich ging also zu dem Eingang und klingelte. Es dauerte einen Moment, bis aus dem Wachhäuschen einer der Soldaten herauskam, um mir das Fußgänger Eingangstor zu öffnen. Als er auf mich zukam, trotz seines freundlichen Gesichtsausdruck, kam ich mir seltsam fehl am Platz vor. Das Tor ließ sich nicht öffnen, also öffnete sein Kollege das Eingangstor für die Fahrzeuge. Ich sagte, dass ich ganz unsicher wäre, ich wollte das Ehrenmal sehen und ob ich richtig hier wäre. Ja, wurde mir gesagt.

„Okay, brauchen Sie irgendein Ausweis von mir? Wollen Sie in den Rucksack sehen?“ Ein Schmunzeln.

„Nein, nicht notwendig.“ Warum? fragte ich mich im Stillen. Hatten sie mich schon über die Videokameras beobachtet? Da war ich mehrmals an meinem Rucksack dran, um was zu trinken und einen Apfel zu essen. „Ich zeige Ihnen den Weg und begleitet Sie.“

​“Nicht nötig, ich sehe ja, dass ich da nur um die Ecke muss.“ Ein weiteres Schmunzeln.

„Sie müssen durch einen Sicherheitsbereich und deshalb, bleibe ich bei Ihnen.“

„Sie meinen die ganze Zeit?“

„Ja.“

Mein Blick wanderte über die riesige Fläche, die das Tor von dem Gebäude trennte. Keine Ahnung, was daran ein Sicherheitsbereich sein soll, immerhin war alles perfekt einzusehen. Keine Möglichkeit sich zu verstecken. Weil ich mich noch unwohler fühlte in Begleitung eines Soldaten meine Neugierde zum Ehrenmal zu befriedigen, ich kam mir vor, wie ein Eindringling, fing ich an zu plappern und gleichzeitig Fragen zu stellen.

„Ist ganz schön umständlich für Sie, wenn jemand das Ehrenmal besuchen möchte, hängt das mit der Baustelle zusammen?“

„Nein, normalerweise wird der Zaun morgens nach innen bewegt, so dass man vom Bürgersteig aus, das Ehrenmal betreten kann, aber der Mechanismus geht immer wieder kaputt.“

Wir erreichten das Ehrenmal, dezent stellte er sich in den Hintergrund und ließ mir meine Privatsspähre. Netter Versuch, aber mit einem Soldaten im Rücken, fühle ich mich nicht wirklich entspannt. Mein erster Gedanke zu dem Objekt, was soll das denn? Ich betrete ein Stahlbetonquader, der innen ganz in Schwarz gehalten ist. Ein Weg geht stetig berghoch, der für die Kränze ist. Ich drehe mich um und eine Zwischendecke ist eingezogen. Ich bin irgendwie verwirrt, weiß nicht was ich davon halten soll. Nur eines spüre ich wie damals, als ich die Gaskammer in dem jüdischen Museum betreten habe, die Beklemmung, die Enge, die Leere ja und eine winzige Spur von Angst. Alles ist irgendwie Still ohne Leben. Ich gehe zu dem Soldaten.

„Ich verstehe das irgendwie nicht.“

Er kommt mit rein, deutet auf die zweite Ebene. „Dort werden die Namen der Gefallenen projziert.“

Jetzt wo er es sagt, sehe ich die Namen auf dem schwarzen Beton. Durch den Einfall der Sonne ist es schwer zu erkennen. Jeder Name wird für  ein paar Sekunden angezeigt. Ich schlucke, denken an die Mengen von Namen und das dicke Bronzebuch. Das läuft Tag und Nacht, erklärt er mir.

Ist es nicht furchtbar schwer einen Job zu machen, den die meisten Menschen in Deutschland kritisieren? Das Sie mit all dem, was Sie erleben allein gelassen werden? Können Sie überhaupt mit ihren Freunden darüber reden? Ihrer Familie? Ihre Ängste mitteilen? Zwischendrin entschuldige ich mich bei ihm.

„Es tut mir leid, wenn ich soviel Fragen stelle, ich schreibe gerade ein Buch und mir war nicht bewusst, was es bedeutet, wenn wir darüber Debattieren, ob wir Soldaten in eine Krisenregion senden. Wenn ich Ihnen zu nahe treten, sagen Sie es mir einfach.“

Wer hört Ihnen zu? Warum liest man darüber nichts in den Zeitungen? Liegt es an unserer Vergangenheit, dass wir Angst haben vor einer „militärischen Verherrlichung“? Doch was passiert mit den Männern und Frauen, die von Deutschland starten in ein Land, wo sie mit einer Gewalt konfrontiert werden, die sie sich niemals vorstellen konnten. Wie werde ich damit fertig, es zu sehen, vielleicht auch manchmal ohne die Chance einzugreifen? Was wenn ich wirklich zum ersten Mal jemanden töten soll? Womöglich sogar eine Frau oder ein Kind? Unsere Soldaten dürfen nicht schießen ohne bedroht zu werden. Kein deutscher Politiker möchte sich der Diskussion aussetzen, dass deutsche Soldaten unschuldige Zivilisten in einem anderen Land töten. Deshalb sind die Vorschriften sehr strikt. Ob die Bundeswehr sich daran immer so halten kann, sei mal dahingestellt. Sie werden bedroht, sie werden angegriffen, sie sterben, während ich an meinem Schreibtisch sitze und stöhne, weil ich mal wieder keine Zeit finde einkaufen zu gehen.

Es ist ein biologischer Schutz, dass wir Menschen schlimme Sachen vergessen, dass wir in normal Fall nicht darüber nachdenken, dass wir sterben können. Wir leben in unserem Wohlstand und finden trotzdem ganz viele Sachen, die wir kritisieren können. Dankbar sind wir selten. An diesem Tag empfand ich Dankbarkeit für den Soldaten, der bereit war meine Welt zu beschützen, ohne dass ich seinen Namen kenne. Ohne dass er dafür von mir Dankbarkeit erwartet oder erhält. Mir wurde gleichzeitig bewusst, wie wichtig es ist darüber nachzudenken, warum wir unsere Bundeswehr in die Krisenregionen schicken. Welches Ziel steckt dahinter? Das schlimmste an einem Einsatz ist nämlich in meinen Augen, die Nutzlosigkeit dessen, was man tut. Verändern wir mit den Einsatz unsere Soldaten etwas in dem Land? Helfen wir den Menschen? Lösen wir den Konflikt? Wie können wir den Einsatz der Bundeswehr mit sinnvollen Maßnahmen begleiten, die etwas verändern und zwar zum Besseren, nicht zum Schlechteren. Welchen Sinn hätte sonst der Tot der vielen deutschen Soldaten und Soldatinnen? Ich finde es wichtig, dass wir auch in der Öffentlichkeit viel offener darüber Reden, ohne dass wir dabei unsere Vergangenheit vergessen. Doch wir sind das den Menschen schuldig die Deutschland.Dienen.

Meine Begegnung in Berlin hat meine Wahl beeinflusst. Ich will nicht, dass wir leichtsinnig mit dem Leben von Menschen umgehen. Nicht für jedes Land ist die Demokratie die Lösung, auch dazu erzähle ich dir noch eine Geschichte. Wichtig ist jedoch, dass wir den Menschen die traumatisiert nach Hause kommen zur Seite stehen. Ihnen helfen, ihnen zuhören, statt sie zu verurteilen. Wir sollten sie unterstützen, wenn sie den Weg zurück ins Leben suchen. Es gibt nämlich nicht nur Soldaten und Soldatinnen, die ihr Leben lassen im Dienst für Deutschland, sondern auch die, die gebrochen nach Haus zurückkehren.

Bronzegedenktseite im Buch der gefallenen Soldaten 2003